Kongobriefe 2025

    Kongobrief März 2025

     

    Liebe Feundinnen,
     Freunde und Förderer unserer Überlebenshilfe für den Ostkongo!
    

     

    Ende Januar reiste ich über Bujumbura (Burundi) in den Ostkongo. 

    Das erstemal nach über 6 Jahren konnte ich diese lang geplante Reise unternehmen, um endlich wieder einmal viele Projektpart­ner wie­derzusehen, die dort leben. Und ich möchte gleich zu Beginn sagen: Ich bin sehr sehr froh, dass ich diese Reise unternehmen konnte. 

     

    Als ich in Bukavu ankam war Goma schon von der M23 besetzt, doch ich traf alles noch im „tiefen Frieden“ an. Ich war zunächst einige Tage in Uvi­ra, dann in Kamanyola und drei Nächte in Bu­kavu, anschließend nochmal zwei Nächte in Kamanyo­la. In Bukavu konnte ich mit allen früheren Partnern der Aufforstungsprojekte zusammenkommen, de­nen wir jetzt noch die Jugendgruppen der Marafiki wa Mazingira fördern. In Kamanyola traf ich mit den Lehrern der Primar- und Sekundarschule zusammen, von der wir viele Kinder mit Schulgeld unerstüt­zen. Zu Be­ginn, in Uvira, hatte ich Gelegen­heit mit einer ganzen Reihe von mir bekannten Freunden zu sprechen und dies wollte ich bei der Rück­reise mit weiteren drei Tagen dort noch vertiefen. Dazu ist das aller­dings leider nicht mehr gekommen. Als ich von Bukavu zurück in Kamanyola war und die M23 be­reits auf dem Marsch nach Bukavu, fürch­teten die Freunde, dass Burundi (wie früher öfters schon) die Gren­ze schlösse, sodaß ich meinen Rückflug nicht mehr bekäme. So sorgten sie dafür, dass ich mit ei­nem burundischen Auto in mehr als vierstündiger Fahrt nach Bujumbura evakuiert wurde. Am Grenz­übergang stauten sich schon weit über 100 Autos und über 1000 Personen in einer langen Schlange, die alle nach Bujumbura flüchten wollten, viele von ihnen aus Goma. Als „Musungu“ (Weißer) musste ich nicht in die Schlange, sondern an eine andere Stelle, wußte aber nicht wo und weil mich niemand kontrollierte, war ich plötzlich in Bu­rundi – ohne das Visum beantragt zu haben und wartete dort auf un­ser Auto, das auch erstaunlich schnell kam. 

     

    Die Freunde in Burundi waren dann ganz er­schrocken, dass ich an einem Freitag illegal nach Burundi eingereist war und sorgten dafür, dass ich Montagfrüh nochmal zur Grenze gelangen konnte (wo noch sehr viel mehr Flüchtlinge aus dem Kongo warteten) und wo ich dann mein Visum be­kam. Die restlichen Tage bis zum Rückflug verbrachte ich dann legal in Bu­rundi, glücklicherweise zusammen mit Neophyte und Markellos und hatte Gelegenheit bei diesem drit­ten Besuch in Burundi (seit 2012) sehr viel mehr als bisher von diesem interessanten Land mit sehr freundlichen und hilfsbereiten Bewoh­nern zu sehen.

     

    Doch auch im Kongo sind viele freundliche und hilfsbereite Menschen, vor allem bei unseren Partneror­ganisationen. Ich war wirklich froh, nach der langen Pause wegen der Pandemie und den LHL-Proble­men endlich wieder einmal persönlich mit vielen Partnern zusammensein zu können. 

     

    Von Bukavu aus wollte ich eigentlich gerne noch etwas weiter in den Norden nach Kavumu und Katana an den Rand des Kahuzie-Biega-Nationalparks fahren, aber die dortigen Partner warnten mich, weil sie schon mit den M23 rechneten, die ein paar Tage später dort auftauchten. Die Partner ka­men allerdings selbst nach Bukavu und berichteten über ihre Projekte. Insbesondere bepflanzen sie in­zwischen kahle Hänge am Rande des Kahuzie-Biega-Nationalparks die vorher extreme Erosion verursachten. 

     

    Die interessantesten Diskussio­nen hatten wir mit der ADMR, mit der ich schon in den 90er Jahren erste Projekte in Luhwinja reali­sieren konnte und später vor allem Aufforstungen. Sie – und einige andere Partner - bemühen sich mehr und mehr heimische Baumarten anzu­pflanzen, die allerdings etwas lang­samer wachsen als die exotischen (Pinus, Eukalyptus, Grevilea usw.) Insbesondere bemühen sie sich Polyscias fulva (als Eu­kalyptus-Ersatz) und andere einheimische Arten anzupflanzen. Wir sprachen darüber, dass die älteren Marafiki wa Mazingira wieder lernen soll­ten, das Saatgut der einheimischen Baumarten zu sammeln und an interessierte Organisationen zu verkaufen (denn die gängigen Sam­men, die gekauft werden können sind die von „exotischen“, also nicht einheimischen Baumarten. Die Vorarbeiten dazu sind schon 2020 gemacht worden, siehe hier und hier

     

    Auch über die sehr wichtigen Fortbildungen der MWM sprachen wir. Für dieses Jahr wurden wieder Kurse im Basiswissen (zum Umweltschutz) für die Gruppenleiter gewünscht und wir hoffen, dass wir dies im Laufe des Jah­res finanzieren können. Letztes Jahr war Buschbrandbekämpfung das Thema mit großem Erfolg in Businga und Ngoma, an der Straße von Kamanyola nach Nyangezi/Bukavu, wo unsere Partner jahre­lang mit der Bevölkerung gearbeitet hatten. 2024 war dort erstmals kein Buschbrand, der sehr schnell an den steilen Hängen Erosion verursachen kann. Die extrem schlechte Nationalstraße dort hat in Ser­pentinen über 1000 Meter Höhe zu bewältigen. 

     

    Die meisten Partner haben nun schon teilweise über 20 Jahre alte Wälder, die sie he­gen und pflegen und auch schon etwas holzwirtschaftlich nutzen. Besonders schön ist der Businga-Wald zurückgekom­men, ein Naturschutzgebiet. Die Bäume sind inzwischen meterhoch und fast alles einhei­mische Berg­wald-Tropenbäume. Die Bevölkerung sucht dort Pilze, sammelt Heilkräuter, Wild­früchte, kann schon auf die Jagd gehen und nutzt den Wald somit so gut dies geht. Auch fünf Feuer­wehrleute schützen das Ge­biet in der Trockenzeit und können dafür ab und zu einige Pinus abholzen und verkaufen. 

    Der Agronom Adolphe erläutert im Busingawald einige tropische Pflanzen

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    Derzeit macht sich in der ganzen Welt Unsicherheit breit, weil manche Herren wieder das „Recht des Stärkeren“ ausprobieren. Im Kongo wurde dies von Ruanda ausge­nutzt und die Tutsi-Rebellen der M23 werden aus Kigali unterstützt, sodass sie die Provinzhaupt­städte Goma und Bukavu erobern konnten, sowie das kongolesi­sche Städtchen Kamanyola. Inzwischen befindet sich die M23 auf dem Weg nach Uvira. 

     

    Die kongolesische Armee ist weitgehend zusammengebrochen. Ihre Soldaten sind oft geflo­hen, stehlen und plündern, vergewaltigen und belästigen die Bevölkerung oder sitzen in Lagern in Goma fest. Einige Soldaten bekämpfen die Plünderer. Zu allem schlechten Überfluß wurden auch noch die Gefängnistore geöffnet, sodaß jetzt in den ge­nannten Großstädten Verbrecher und Mörder wie­der frei herum­laufen und zu­sätzliche Unsicherheit verbreiten. Das alles in einer Region, in der die Mehrheit der Bevölkerung ohne­hin in äußerster Armut und Not lebt. Seit den Zeiten des belgi­schen Kö­nigs Leopold II bis heute wird das kongolesische Volk geschändet, verletzt und geplündert. Die Gesellschaft ist durch und durch krank und bedarf der Heilung.

     

    In vieler Hinsicht hat sich im Kongo seit 2019 für die meisten Menschen nichts geändert. Ich hatte mehrfach den Eindruck, dass die staatllichen Institutionen mehr denn je völlig hohl, leer oder abgefault sind. Kleines Beispiel: Die ungefähr 100 km lange, von Mobutu ungefähr 1990 geteerte Straße von Uvira nach Kamanyola, die seit­her nie ausgebessert wurde und deswegen noch in einem sehr viel schlechteren Zustand ist als die Au­tobahnen nach Berlin vor 1989. Doch dies hindert die Polizei nicht daran, ungefähr alle 10 km eine Bar­riere zu errichten und „Wegegeld“ von den vielen Autofahrern zu fordern, eine Unsitte, die schon bei meinem ersten Besuch 2004 an dieser Straße so war. Damals kassierten Kindersoldaten ab, während jetzt die Polizei offenbar ihr Taschengeld aufbesserte. Generell haben viele im Staatsdienst die Unsitte für jeden Stempel Bargeld zu verlangen. Derzeit fordert das Justizministerium von allen gemeinnützi­gen Organisationen für 800$ den „Kauf“ eines Dokumentes, das sie „bei künftigen Kontrollen“ benötig­ten. So sind die Partner überall ziemlich geplagt, doch geben sie nicht auf, mit der lokalen Bevölkerung zu ar­beiten und das Überleben zu verbessern. 

    Die Nationalstrasse von Uvira/Kamanyola nach Bukavu über Ngomo/Businga. Drainagen oder Reparaturen finden nicht statt.

     

    In Ngomo, hoch oben über dem Ruzizital, hatten wir ein Tref­fen mit den Eltern der MWM und sie hatten alle nur einen einzigen Wunsch: sie würden gerne sehr viel mehr Bäume pflanzen!

    103 Kinder nehmen in Ngomo an der Marafiki-wa-Mazingira-Gruppe teil. Einige sind bei der Begrüßung des Musungus auf diesem Photo zu sehen.

     

    Leider sind wir fast die einzigen, die in Forstfragen mit der lokalen Bevölkerung zusammenarbeiten. Auch das BMZ (Entwicklungshilfeministerium) scheint – wie mir berichtet wurde – nach wie vor ein Forstprojekt im Kivu zu fördern, aber das Geld bekam angeblich eine deutsche Forstfirma, die nicht mit lokalen Organisationen zusammenarbeitet. Eigentlich wußte niemand, was sie wirklich tun.

     

    Wir haben an dieser Stelle schon öfters kritisch über die staatliche Entwicklungszusammenarbeit ge­schrieben und dass diese leider verkehrte Prioritäten setzt und bisher oft vor allem dort aktiv gewesen ist, wo zivilgesellschaftliche Organisationen mindestens genauso gut arbeiten könnten, während der staatliche Bereich in manchen Ländern des Südens sehr viel mehr Vermittlung von Kompetenzen benö­tigte. So ist oft die „Diagnose“ verkehrt und die „Therapie“ passt nicht für den Patienten Kongo.

     

    Und noch etwas schockierte in den letzten Wochen: Das BMZ war offenbar „Spitzenreiter“ bei der „Ope­ration Abendsonne“. 26 hochrangige Beamte beka­men bisher 7846 pro Monat und jetzt 8716 Euro. Der Berliner Tagesspiegel schreibt dazu: „Obwohl die Mittel zurückgehen, hat sich der Personal­stock um 15 Prozent vergrößert.“ Also 15% mehr für die ausufernde Bürokratie, die auch zivilgesell­schaftliche Gruppen bei ihren Fördermitteln negativ zu spüren bekommen.

    Aus den Projekten im Ostkongo 

    Vor einigen Tagen hatte ich die Gelegenheit einen Friedensappell von Organisationen der Zivilgesell­schaft im Ostkongo als Email an viele Freunde zu versenden und habe bei dieser Gelegenheit erstmals für viele über meine Kongoreise berichtet und um Spenden als Nothilfe geworben. Diese waren not­wendig geworden, weil mir gut bekannte Familien plötzlich von heute auf morgen durch die militäri­schen Ereignisse nicht mehr ihrem normalen Erwerb nachgehen konnten, in Kamanyola sogar in den Busch fliehen und deshalb Lebensmittelvorräte anlegen mussten. Glücklicherweise funktio­nieren die Mobiltelefondienste. Diese haben Gelddienste. Kleinere Geldbe­träge lassen sich problemlos überweisen. weil fast an jeder Ecke Telefoneinheiten ver­kauft werden, wo dann auch diese Geldbeträge ausgezahlt werden. Das war natürlich eine große Hilfe für inzwischen schon hungernde Familien. Möglicherweise müssen wir noch eine zeitlang solche Nothilfen leisten bis sich alles beruhigt hat und jeder seinem normalen Gelderwerb wieder nachgehen kann. Wir danken allen ganz herzlich, die einen Beitrag zu dieser Nothilfe kurzfristig überwiesen haben.

    Das  Schulgeld war bis einschließlich Februar schon teilweise im Dezember über­wiesen worden für alle rund 200 geförderten Kinder. In Kamanyola hatten wir eine Versammlung mit ungefähr 10 Lehrern der Grundschule und der Sekundarstufe I+II, einer Schule, bei der wir viele Kinder fördern und vor wenigen Jahren auch Schulmöbel, Fenster und Türen finanzieren konnten. Die Schule hat noch nicht ausreichend Einnahmen, weil nicht genug Kinder angemeldet sind, da für viele Eltern das Schulgeld zu hoch ist (5$ für die Grundschule und 7$ für die Sekundarstufen im Monat). Die Lehrer berichteten nun, dass die meisten Eltern ungefähr 2$ pro Kind aufbringen könnten. Wenn wir jetzt unser System für Ka­manyola etwas umstellen und jedes Kind mit 3 bzw. 5$ bezuschussten, könnten sie mehr Kinder aufnehmen. Dies ist eine relativ einfache Verbesserung und Lösung, die wir gerne auf den Weg bringen wollen. Für die Patenkinder in Kamanyola müssten wir noch prüfen, was besser ist: weiterhin vollständi­ge Übernahme des Schulgeldes oder ein Zuschuss zu den Schulmaterialien, den wir bisher nicht gege­ben haben. Die Lehrer bekommen übrigens ein kärgliches Monatsgehalt von 50$. 

    Kinder aus Kamanyola, die durch das Schulgeldprogramm von MitAfrika gefördert werden mit dem Musungu aus Deutschland

     

    Für die Waisenkinder in Uvira sind die Prüfungsgelder finanziert, die staatliche Stellen kassierten dafür 100$ pro Kind. Für 7 Waisenkinder stehen Prüfungen an. Die nächsten Schulgelder sind im März fällig.  Leider gestatten die derzeitigen militärischen Ereignisse in diesen Orten nicht den Schulbesuch. So sind die Schulen wieder geschlossen, wie zur Zeit der Pandemie. Wie hoffen sehr, dass der Spuk bald wieder vorbei ist.


    Die schon lange geplante „Barfuß-Berufsschule“ in Uvira steht kurz vor dem Beginn mit einem BMZ-Zuschuß von knapp 10.000 Euro. Dazu kommt ein benötigter Eigenanteil von rund 3.500 Euro. Damit sollen folgende Ausbildungen für junge Frauen und Mütter gefördert werden: 50 Frauen nehmen an  Alphabetisierungskursen teil. 10 Frauen lernen mit Computern und Internet umzugehen. 50 Frauen lernen Bäume pflanzen und nehmen an einer Kampagne zur Sensibilisierung für dieses Thema teil. Sie lernen holzsparende Lorena-Lehmöfen herzustellen. Alle 110 Frauen nehmen an Kursen zur Unternehmensgründung teil. 50 Frauen lernen Fische und Obst zu trocknen mit einem solaren Trockner und Fruchtsäfte herzustellen.  Das erste Projekt soll 4 Monate dauern und bei einem Erfolg hoffen wir ein oder zwei Nachfolgeprojekte finanziert zu bekommen, wo einige Kurse für weitere Frauen wiederholt werden und zusätzlich Schneiderei und Imkerei angeboten werden sollen. Wir hoffen, dass alles trotz der kriegerischen Ereignisse bald beginnen kann. Die Partnerorganisation hat eine lange Warteliste über die 110 Frauen hinaus, die an diesen ersten Fortbildungen akzeptiert werden können. 

     

    Wir hoffen natürlich auch die Marafiki wa Mazingira weiterhin unterstützen zu können. Dies sind 9 Gruppen in Ngomo, Nyangezi, Kavumu, Katana, Mushenyi, Kaziba (2 Gruppen) in Luhwinja und Burhinyi. Sobald dafür genügend Spenden und Fördermittel eingegangen sind, können diese Gruppen für die Weiterarbeit unterstützt werden (ca. 800 Euro pro Gruppe, teilweise etwas mehr). Außerdem würden wir, wie schon erwähnt, gerne eine weitere Fortbildung für die Gruppenleiter finanzieren. Kurz vor meiner Reise kamen eine Reihe von Projektberichten aus den Gruppen, die wir demnächst auf der MitAfrika-Webseite präsentieren werden. 

     

    Wir danken allen ganz ganz herzlich, die uns in den letzten Wochen schon unterstützt haben, die jetzt einen Beitrag für die Nothilfe geben und die hoffentlich dann auch dabei bleiben, wenn wieder ganz normal die geplanten Projekte realisiert werden können.
     Herzliche Grüße aus Düsseldorf
    von Heinz J. Rothenpieler

    Spendenkonto: 

    MitAfrika e.V.

    DE05 3702 0500 0020 0855 41